Lineare Tetrapyrrole

Die Farbenvielfalt von Cyanobakterien, Rotalgen und Cryptophyten geht hauptsächlich auf die Zusammensetzung ihrer Lichtsammelkomplexe zurück, die je nach Art variieren kann. Diese Lichsammelkomplexe bestehen vorwiegend aus den Proteinen Phycocyanin (blau) und Phycoerythrin (rot) und bilden das sogenannte Phycobilisom.

Phycobilisomen ermöglichen diesen Organismen Licht zusätzlicher Wellenlängen zu sammeln, welches von den Chlorophyllen nicht mehr absorbiert werden kann (Grüne Lücke). Die Färbung dieser Phycobiliproteine geht auf kovalent gebundene Chromophore zurück, die der Klasse der Phycobiline angehören. Phycobiline sind lineare Tetrapyrrole, die durch Spaltung des ringförmigen Häm-Moleküls entstehen. Diese Spaltung wird von Hämoxygenasen katalysiert, woraus das Vorläufermolekül aller bekannten Phycobiline, das Biliverdin IXα, entsteht.

Biliverdin dient dann der Klasse von Ferredoxin-abhängigen Bilinreduktasen (FDBR) als Substrat. Dabei sind Phycocyanobilin (PCB) und Phycoerythrobilin (PEB) die am weitesten verbreiteten Phycobiline. Die Bildung von PCB wird von PcyA katalysiert; für die Synthese von PEB sind PebA und PebB verantwortlich. Biliverdin stellt das Substrat von PebA dar, welches dieses zum Intermediat Dihydrobiliverdin (DHBV) reduziert. Anschließend übermittelt PebA das DHBV an PebB, welches daraufhin PEB synthetisiert. Sowohl PebS als auch PcyX sind neue FDBRs, die einen viralen Ursprung besitzen (Cyanophagen) und die Synthese von PEB als einzelnes Enzym durchführen können.

In unserer Forschung interessieren wir uns für die Biosynthese der verschiedenen Phycobiline. Wir untersuchen die zugrunde liegenden Reaktionsmechanismen und die für die spezifischen Enzymaktivitäten erforderlichen strukturellen Eigenschaften. Die Forschung der viralen Enzyme ist ein neues Feld unserer Abteilung und ermöglicht einen Einblick in die Evolution der Tetrapyrrolbiosynthese und ihre Rolle im Ökosystem. Die FDBRs PebS und PcyX gehören dabei zu den in Phagen vorkommenden Hilfsstoffwechselgenen metabolischen Hilfsgenen (auxiliary metabolic genes, AMG), die in ihren Wirten exprimiert werden. In diesem Projekt wird der Einfluss dieser Gene auf die Photosynthese und den Lichtsammelkomplex untersucht, um ein detailliertes Verständnis des Einflusses von AMGs zu erhalten.

Abb. 3: Phycobilinsynthese durch Ferredoxin-abhängige Bilinreduktasen.


Phagen

Viren sind omnipräsent in unserer Welt und kommen praktisch überall dort vor, wo Leben gefunden werden kann. Obwohl Viren selbst nicht als Lebewesen angesehen werden, interagieren sie mit ebenjenen. Aufgrund ihrer nicht eigenständigen Replikation bzw. Reproduktion sind sie für ihre Vermehrung auf den Stoffwechsel des Wirtes angewiesen. Ist ein Wirt mit einem Virus infiziert, wird der Wirtsmetabolismus vom Virus so umprogrammiert, dass der Wirt eine Vielzahl an identischen Kopien vom Virus produziert und durch Lyse die Viren-„Nachkommen“ in die Umgebung entlässt. Viren im Allgemeinen sind verantwortlich für genetische Vielfalt aufgrund des genetischen Austausches im horizontalen Gentransfer und gelten als treibende Kraft der globalen geochemischen Kreisläufe im Meer. Dort beeinflussen sie auch die Form der verfügbaren Nährstoffe, das Ende von Algenblüte und können die Wirtspopulation durch Lysis regulieren.

Eine der am häufigsten vorkommenden und am weitesten verbreiteten Organismen im Meer sind neben Prochlorococcen, die Synechococcen. Beide zählen zu den Cyanobakterien und sind global gesehen die wichtigsten marinen Primärproduzenten. In Anbetracht ihrer Größe werden sie dem Picoplankton zugeordnet und gelten als die kleinsten bekannten Photosynthese-betreibenden Organismen. Aufgrund der besonderen Lichtverhältnisse im Meer besitzen sie spezielle Lichtsammelkomplexe (Phycobilisome), welche einfallendes Licht absorbiert und für die Energiegewinnung durch Photosynthese nutzbar macht.

Viren, die Cyanobakterien infizieren, nennt man Cyanophagen. Interessanterweise wurden Gene in Cyanophagen gefunden, die nicht direkt an der Virusvermehrung beteiligt sind und vom Wirt zu stammen scheinen. Diese Gene und die codierten Proteine sind während der Infektion aktiv daran beteiligt, den Metabolismus ihres Wirts zu verändern, damit die essenziellen Wirtsstoffwechselwege aufrechterhalten werden können. Aufgrund dieser Eigenschaft nennt man sie AMGs (auxiliary metabolic genes, metabolische Hilfsgene). Die Funktion dieser Gene und ihrer codierten Proteine umfasst sowohl die Aufrechterhaltung der Proteinbiosynthese, der Nukleotidesynthese und des Kohlenstoffmetabolimus, als auch die Photosynthese zur Energiegewinnung. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass AMGs die gleiche Funktion wie ihre cyanobakteriellen Orthologen erfüllen und von ihren Wirten oder verwandten Bakterien abstammen. Die von Cyanophagen AMGs codierten Proteine ähneln einer Vielzahl von Enzymen, die für die Aufrechterhaltung der Energieproduktion im Wirt verantwortlich sind, wenn sie während einer Phageninfektion in Cyanobakterien exprimiert werden. Die Regulation dieser Gene und ihr Einfluss auf den Wirt sind noch nicht ausreichend untersucht.

Die Erforschung der viralen Enzyme ist ein aktueller Forschungsschwerpunkt unserer Arbeitsgruppe und ermöglicht einen Einblick in die Evolution der Tetrapyrrolbiosynthese und ihrer Rolle im Ökosystem. In diesem Projekt untersuchen wir die Rolle ausgewählter AMGs auf den Wirtsmetabolismus und die Photosynthese im Speziellen.